WEBVTT 00:00:00.000 --> 00:00:02.500 00:00:02.500 --> 00:00:08.040 Ich heißt Melinda. Ich komme aus Rumänien. Aus Siebenbürgen. 00:00:08.040 --> 00:00:12.600 Teil von [der] ungarischen Minderheit in Rumänien. 00:00:12.600 --> 00:00:21.080 Und […] wie alt bin ich? Ist das wichtig? Ja, ich bin sechsundfünfzig Jahre alt. 00:00:21.080 --> 00:00:29.680 Und seit achtzehn Jahren in Österreich [...] achtundzwanzig Jahren in Österreich! Entschuldigung. 00:00:29.680 --> 00:00:41.880 Von mir so […] wie bin ich aufgewachsen? Ja. Normal. Normale Familie. 00:00:41.880 --> 00:00:50.880 Mein Vater war Rechtsanwalt und meine Mutter Musikerin. 00:00:50.880 --> 00:00:59.880 Also bis in die 70er waren wir eine ganz normale Familie. 00:00:59.880 --> 00:01:08.200 Und dann ist die Diktatur in Rumänien immer stärker geworden. 00:01:08.200 --> 00:01:19.280 Also immer schlimmer, immer härter. Und das hat bis zum Ende gedauert natürlich, bis 1989. 00:01:19.280 --> 00:01:29.920 Also die Kindheit war ganz normal, nichts besonderes. Dann in den 70ern war es immer schwere, ja. 00:01:29.920 --> 00:01:44.440 Dann haben angefangen die, wie soll ich sagen, so die diktatorischen Sachen immer stärker zu sein. 00:01:44.440 --> 00:01:58.150 lso man musste schon aufpassen, was man sagt. Was man zuhause gesprochen hat, konnte man in der Gesellschaft nicht sagen. 00:01:58.150 --> 00:02:01.240 Das habe ich schon als Kind gelernt. 00:02:01.240 --> 00:02:17.000 Und, zum Beispiel: Schwule waren Verbrecher und die wurden eingesperrt. 00:02:17.000 --> 00:02:27.560 Abtreibung war absolut verboten. Also die das gemacht haben, wurden auch eingesperrt. 00:02:27.560 --> 00:02:39.480 Viele haben das schwarz machen lassen. Dann sind die entweder gestorben oder krank geworden - keine Kinder mehr bekommen. Und so weiter und so fort. 00:02:39.480 --> 00:02:46.120 Ausländische Gäste konnten wir nicht empfangen. 00:02:46.120 --> 00:02:51.880 Religion nicht ausüben - das war auch total verboten. 00:02:51.880 --> 00:02:57.240 Die kommunistische Diktatur hat das nicht erlaubt. 00:02:57.240 --> 00:03:04.280 Reisen ins Ausland natürlich auch. Außer natürlich in die kommunistischen Ostblockländer. 00:03:04.280 --> 00:03:11.280 Aber in den 80ern ist das dann auch fast unmöglich geworden. 00:03:11.280 --> 00:03:30.160 Also in den 80ern ist alles eskaliert. Es war alles kalt, dunkel, grau. 00:03:30.160 --> 00:03:40.720 Also es war nicht mehr auszuhalten in den 80er Jahren. Da haben wir angefangen daran zu denken, dass wir auswandern. 00:03:40.720 --> 00:03:54.250 Aber das war auch unmöglich. Also 1988 hat Ungarn entschieden, dass sie die Menschen nicht mehr zurückgeben; ... 00:03:54.250 --> 00:03:59.880 ... obwohl die auch in [einer] kommunistischen Diktatur lebten; die waren doch ein bisschen liberaler. 00:03:59.880 --> 00:04:07.500 Und dann in ’88 haben wir versucht - wir haben immer die Karte angeschaut, ... 00:04:07.500 --> 00:04:18.400 ... wo kann man da aus Rumänien, mindestens nach Ungarn, irgendwie raus; rausgehen einfach, flüchten. 00:04:18.400 --> 00:04:25.880 Und dann haben wir immer mit den Freunden darüber gesprochen. 00:04:25.880 --> 00:04:30.240 Eigentlich ein, zwei Jahre lang haben wir immer darüber gesprochen. 00:04:30.240 --> 00:04:34.120 Wie kann man das machen? Wie könnten wir das […] 00:04:34.120 --> 00:04:41.840 Dann haben doch versucht irgendwie […] weil in Rumänien war damals so, dass man keinen Reisepass Zuhause hatte. 00:04:41.840 --> 00:04:50.960 Man musste das beantragen, [um] mindestens in die damaligen Ostblockländer auszureisen. 00:04:50.960 --> 00:04:58.000 00:04:58.000 --> 00:05:07.440 Dann habe ich einen Pass beantragt 00:05:07.440 --> 00:05:18.120 So die Pflicht, da musste man viel zu viel Sachen ausfüllen. Lauter Daten, alles mögliche. Aber das war immer so. 00:05:18.120 --> 00:05:29.400 Und dann eines Tages, wurde ich brieflich benachrichtigt, dass ich ... 00:05:29.400 --> 00:05:36.400 ... zu dieser Behörde, weiß ich nicht, um acht Uhr in der Früh gehen soll. 00:05:36.400 --> 00:05:44.120 Und dann bin ich natürlich hingegangen. Habe gedacht das ist wahrscheinlich wegen des Passes. 00:05:44.120 --> 00:05:59.000 Dann ist da ist ein Mann gestanden von der Behörde. Er hat mich natürlich gefragt: was will ich? Warum will ich ausreisen? 00:05:59.000 --> 00:06:07.200 Da habe ich gesagt: „Als Touristin. Als Tourist will ich meine Freunde besuchen in Ungarn“. 00:06:07.200 --> 00:06:12.880 Weil ich hatte auch ein paar. Weil die durften nach Rumänien reisen. 00:06:12.880 --> 00:06:27.320 Und dann hat er gesagt: „Na wissen Sie, ich entscheide, wer ausreist und wer nicht. Wer ausreisen darf und wer nicht.“ 00:06:27.320 --> 00:06:34.280 Und dann ist er aufgestanden und hat ein Hinterzimmer mir gezeigt, wo ein Bett stand. 00:06:34.280 --> 00:06:41.760 Und hat mir einfach gesagt: wenn ich mit ihm schlafe, dann kann ich meinen Reisepass bekommen. 00:06:41.760 --> 00:06:46.200 Habe ich gesagt: „Ok, ich werde nachdenken“. 00:06:46.200 --> 00:06:53.000 Und dann bin ich nach Hause gegangen, meine Freunde getroffen - angerufen nicht, weil das war gefährlich. 00:06:53.000 --> 00:06:59.280 Da waren überall Wanzen und solche Sachen. 00:06:59.280 --> 00:07:05.840 Und dann habe ich gesagt: „Ok, jetzt gehe ich. Ich habe keine andere Wahl, ich muss jetzt gehen.“ 00:07:05.840 --> 00:07:12.200 Und dann haben die drei Freunde gesagt: „Ja, dann gehen wir auch. Gehen wir zusammen; versuchen wir.“ 00:07:12.200 --> 00:07:23.200 Wir haben das schon mit der Karte gesehen: ok, da gibt es einen kleinen Fluss, der aus Rumänien nach Ungarn fließt. 00:07:23.200 --> 00:07:32.480 Und […] versuchen wir das, ja. Dann sind wir in eine Grenzstadt gereist. 00:07:32.480 --> 00:07:43.800 Mit dem Zug. Ohne Pass, ohne alles. Nur einen Personalausweis hatten wir dabei. Das durfte man haben. Oder musste man haben. 00:07:43.800 --> 00:08:00.920 Und dann sind wir mit einem anderen Zug in ein kleines Dorf gereist, wo dieser kleine Fluß dann war. 00:08:00.920 --> 00:08:05.560 Und da haben wir gewartet bis zum Abend. 00:08:05.560 --> 00:08:17.280 Und dann sind wir in der Nacht dann, […] es war Sommer - ’88 Sommer. Dann sind wir zur Fuß in den Fluß, so um elf Uhr abends dann. 00:08:17.280 --> 00:08:26.760 Haben angefangen einfach in den Fluß zu gehen. Das Wasser war nicht sehr hoch. 00:08:26.760 --> 00:08:36.280 Weil es war Sommer […] ja. Dann sind wir eigentlich die ganze Nacht, ganz langsam, gegangen. 00:08:36.280 --> 00:08:47.120 Und dann immer geschaut, oben zwei Ufer, ob jemand da ist. Dann haben wir die Grenzsoldaten und die Hunde gesehen. 00:08:47.120 --> 00:08:53.160 Aber weit von uns. Und weil wir im Wasser waren haben sie uns nicht aufgespürt. 00:08:53.160 --> 00:09:06.720 Und dann sind wir bis in die Früh - als schon die Sonne aufkam, sind wir in dem Fluß gegangen - ... 00:09:06.720 --> 00:09:15.280 ... und dann, als es schon hell war, mussten wir einfach raus. 00:09:15.280 --> 00:09:21.400 Haben wir uns entschieden: ok, jetzt müssten wir eigentlich schon in Ungarn sein. 00:09:21.400 --> 00:09:28.560 Und das war auch so, natürlich. Da ist ein junger Soldat uns [entgegengekommen]. 00:09:28.560 --> 00:09:40.760 Er war auch erschreckt. Wir auch. Also alle. Aber er hat uns eigentlich ganz freundlich begrüßt. 00:09:40.760 --> 00:09:48.720 Und dann hat er uns zur Grenzwache mitgenommen. 00:09:48.720 --> 00:09:57.920 Und dort haben wir dann unseren Personalausweis gezeigt und wir haben erzählt, wie das alles war. 00:09:57.920 --> 00:10:05.680 Und dann wir haben eine Nacht in so einer Schule geschlafen. 00:10:05.680 --> 00:10:10.680 Weil Ungarn war noch nicht vorbereitet für Flüchtlinge. 00:10:10.680 --> 00:10:25.760 Aber sie haben so provisorische Betten in eine Schule - es waren Ferien, also das war kein Problem - für die Leute aus Rumänien vorbereitet. 00:10:25.760 --> 00:10:31.160 Am nächsten Tag sind wir dann - wir haben von den ungarischen Behörden so einen Zettel bekommen - ... 00:10:31.160 --> 00:10:38.240 ... und dann sind wir nach Budapest mit dem Zug gefahren. Das haben die ungarischen Behörden bezahlt. 00:10:38.240 --> 00:10:48.760 Und dann habe ich dort, haben wir dort, die Budapester Freunde aufgesucht. 00:10:48.760 --> 00:10:56.760 Und dann hat unser Leben in Ungarn angefangen. 00:10:56.760 --> 00:11:07.000 Die Ungarn waren nicht vorbereitet. Wie soll ich sagen? Es war ein riesiges Chaos in Ungarn in 1988. 00:11:07.000 --> 00:11:14.000 Also wir haben schon versucht zu überleben. Das ist auch gegangen. 00:11:14.000 --> 00:11:23.120 Arbeit war eh genug da. Ich musste arbeiten, ich habe nichts mit gehabt. Nichts. Überhaupt gar nichts, also […] 00:11:23.120 --> 00:11:30.000 Das muss man [sich] vorstellen: dann über die Grenze ohne etwas ankommen. 00:11:30.000 --> 00:11:34.520 Ich hatte so eine kleine Tasche mit. Hier. Und das war alles. 00:11:34.520 --> 00:11:41.800 Aber ja, habe ich versucht zu überleben in Ungarn, ja. 00:11:41.800 --> 00:11:50.640 Dann […] wir soll ich sagen? Ich konnte eigentlich in Ungarn nicht Fuß fassen. 00:11:50.640 --> 00:12:04.640 Es war für mich [...] es waren schwere Zeiten. Ich habe mich noch immer so eingesperrt gefühlt. 00:12:04.640 --> 00:12:10.480 Als sehr fremd, obwohl ich ungarisch als Muttersprache habe. 00:12:10.480 --> 00:12:21.720 Also es war echt nicht so einfach. Und dann habe ich mich entschieden weiterzukommen [Anm.: weiterzureisen]. 00:12:21.720 --> 00:12:31.500 Irgendwie habe ich gesagt: deswegen habe ich das nicht gemacht. Das ist keine Freiheit, es ist nicht für mich. 00:12:31.500 --> 00:12:34.640 Ich weiß nicht warum habe ich mich so schlecht gefühlt. 00:12:34.640 --> 00:12:48.520 Und dann bin ich eigentlich mit der DDR Welle nach Österreich gekommen. Wo die Grenzen eigentlich offen waren. 00:12:48.520 --> 00:12:55.440 Da war niemand. Auf der ungarischen Seite, auf der österreichischen Seite: gar niemand. Überhaupt nichts. 00:12:55.440 --> 00:13:02.440 Wo die DDR Leute eingereist sind von Ungarn nach Österreich und dann nach Westdeutschland, damals. 00:13:02.440 --> 00:13:13.200 Da bin ich auch mitgekommen. Einfach per Anhalter. Von Budapest nach Wien. 00:13:13.200 --> 00:13:19.440 Ja ich hatte auch in Wien zwei, drei Bekannte. Freundinnen. 00:13:19.440 --> 00:13:27.960 Die zwei, drei Jahre schon vor mir gekommen sind. Dann habe ich eine Freundin besucht. 00:13:27.960 --> 00:13:34.120 Und sie hat mir erzählt, was ich ich machen muss. Es war eigentlich sehr hilfreich. 00:13:34.120 --> 00:13:38.640 Dann bin ich ins Flüchtlingslager Traiskirchen gegangen. 00:13:38.640 --> 00:13:44.040 Und ich musste mich anmelden, damit ich irgendeinen Status bekomme. 00:13:44.040 --> 00:13:56.440 Dort eine Nacht habe ich dort am Boden geschlafen. Weil es so viele Leute waren. Es war unglaublich. 00:13:56.440 --> 00:14:05.400 Das Flüchtlingslager war voll. Zweitausend Menschen, von überall. Von Europa, bis Afrika, bis Asien. 00:14:05.400 --> 00:14:15.000 Also alles mögliche. Dann habe ich mich angemeldet. Und dann zwei Wochen im Lager verbracht. 00:14:15.000 --> 00:14:24.560 Und dann in Bundesbetreuung gekommen: nach Burgenland. Ende der Welt. 00:14:24.560 --> 00:14:39.720 Wo ich dann angefangen habe eine Arbeitserlaubnis und eine Aufenthaltserlaubnis [...] alles mögliche zu machen. Ohne Deutschkenntnisse! 00:14:39.720 --> 00:14:48.360 Weil ich eben kein Deutsch gesprochen habe. Ich habe Englisch, Französisch, Rumänisch, Ungarisch, alles gesprochen. Deutsch nicht. 00:14:48.360 --> 00:14:58.200 Habe ich nie gelernt, leider. Nur einfach so ein bisschen, von überall. Und [...] das habe ich schon geschafft. 00:14:58.200 --> 00:15:05.520 Ich habe im Burgenland in einer Fabrik gearbeitet zuerst, wo ich eine Arbeitserlaubnis bekommen habe. 00:15:05.520 --> 00:15:16.680 Dann […] na ich weiß jetzt nicht genau, wieviel ich dort gearbeitet habe. Nicht sehr lange, ein Jahr oder so was. 00:15:16.680 --> 00:15:25.160 Dann bin ich nach Wien gekommen. Und in Wien habe ich angefangen in einem Restaurant zu arbeiten. 00:15:25.160 --> 00:15:35.360 So wie alle, glaube ich. Eigentlich haben alle unten angefangen, egal was für Arbeit die vorher gemacht haben. 00:15:35.360 --> 00:15:44.400 Und dann vom Restaurant [...] da habe ich schon drei Jahre gearbeitet, in einem Restaurant. 00:15:44.400 --> 00:15:52.120 Dann bin habe einmal ein Jahr in einem Billa gearbeitet. 00:15:52.120 --> 00:15:57.200 Und dann bin ich zum Integrationshaus gekommen. 00:15:57.200 --> 00:16:06.440 Und von dort wurde ich zur Asylkoordination weitergeleitet, wo ich ein Jahr lang gearbeitet habe. 00:16:06.440 --> 00:16:12.760 Und mit anderen Flüchtlingen. Und das war eine sehr interessante Arbeit. 00:16:12.760 --> 00:16:17.520 Und damals sind wir mit Asylkoordination auch nach Ungarn gereist. 00:16:17.520 --> 00:16:25.880 Wo wir die ungarischen Flüchtlingslager-Aufnahmestellen angeschaut haben. 00:16:25.880 --> 00:16:31.160 Und da war ich sehr nützlich, weil ich Ungarisch gesprochen habe. 00:16:31.160 --> 00:16:41.600 Und nachher habe ich dann diese Stelle in der Bibliothek gefunden. Und seitdem arbeite ich hier. 00:16:41.600 --> 00:16:51.800 Habe ich eine Ausbildung als Bibliothekarin gemacht und […] ja. Seitdem [...] in fünf Jahren gehe ich in Pension. 00:16:51.800 --> 00:17:02.150 Das war eigentlich alles, ja. Kurz. Ich bin immer kurz, tut mir Leid. Wenn es Fragen gibt […], dann… 00:17:02.150 --> 00:17:06.200 Ich würde gerne auch noch mal so ein bisschen zurückspringen. 00:17:06.200 --> 00:17:06.680 Ja 00:17:06.680 --> 00:17:13.600 Weil so […] es ist total spannend, was du erzählst. 00:17:13.600 --> 00:17:17.040 Und ich glaube ich kann mir das noch nicht so ganz genau vorstellen, ... 00:17:17.040 --> 00:17:26.360 ... wie das jetzt auch so als Teil der ungarischen Minderheit in Rumänien dann während der Diktatur war. 00:17:26.360 --> 00:17:34.520 Naja, natürlich wir waren noch benachteiligter als die anderen. 00:17:34.520 --> 00:17:39.600 Aber eigentlich waren alle […] damals war es, wie soll ich sagen? 00:17:39.600 --> 00:17:53.200 Wir hatten ein gemeinsames Hassobjekt. Und das war der Diktator. 00:17:53.200 --> 00:18:11.000 Natürlich, für uns war es noch schlimmer; aber trotzdem finde ich […] ich war absolut gewohnt, dass mehrere Nationalitäten zusammenleben können. 00:18:11.000 --> 00:18:16.520 Jetzt ist noch schlimmer. Jetzt ist schlimmer, als es damals war. 00:18:16.520 --> 00:18:33.440 Weil wir hatten echt dieses gemeinsame Hassobjekt und deswegen waren wir irgendwie viel [mehr] zusammen als jetzt. Glaube ich. Ich weiß nicht. 00:18:33.440 --> 00:18:42.240 Ich hatte nie so Probleme. Die wollten natürlich die Minderheiten unterdrücken - haben sie auch gemacht. 00:18:42.240 --> 00:18:49.960 Wir hatten weniger Möglichkeiten als die Rumänen. Aber das war nicht ihre Schuld. 00:18:49.960 --> 00:18:56.480 Das ist alles von oben gekommen, das war scheiß Politik. Würde wir sagen. 00:18:56.480 --> 00:19:10.440 Also weniger Studienplätze, weniger Schulen. Was soll ich sagen? Also schon, ja. 00:19:10.440 --> 00:19:17.880 Die Deutschen sind zum Beispiel ausgewandert, noch in der Ära Ceausescus. 00:19:17.880 --> 00:19:29.000 Weil: die wurden einfach verkauft. Also die deutsche Kindheit in Rumänien wurde einfach nach Deutschland verkauft, weil Deutschland für die bezahlt hat. 00:19:29.000 --> 00:19:37.520 Für uns hat niemand bezahlt natürlich. Die Juden sind auch fast alle ausgewandert. Nach Israel. 00:19:37.520 --> 00:19:44.000 Also die Minderheiten sind verschwunden. Die ungarische Minderheit st nachher verschwunden. 00:19:44.000 --> 00:19:52.600 Also noch nicht ganz aber mindestens 500/600.000 sind ausgewandert nach der Wende. 00:19:52.600 --> 00:20:01.000 Überall. Noch vor der Wende auch, aber nicht so viele. Aber nach der Wende dann sehr, sehr viele. 00:20:01.000 --> 00:20:07.040 Und dann […] von 2.000.000 sind jetzt 1.3 Millionen geblieben. 00:20:07.040 --> 00:20:15.960 Es ist noch immer eine ganz große, ja. Was soll ich sagen? Ja. Da ist es. 00:20:15.960 --> 00:20:28.080 Und […] war das auch generell jetzt so in der ungarischen Gemeinde quasi, in Siebenbürgen [...] 00:20:28.080 --> 00:20:36.360 Also haben da viele in dem Moment auch schon an Auswanderung gedacht? 00:20:36.360 --> 00:20:39.760 Ja, sehr viele. Die Jungen, die Jungen. 00:20:39.760 --> 00:20:46.000 Also damals war ich auch sehr jung. Also unsere Generation ist fast total ausgewandert. 00:20:46.000 --> 00:20:57.200 Ich habe zum Beispiel keine Schulkollegen mehr zuhause. Also von meiner Klasse sind drei oder vier zu Hause geblieben. 00:20:57.200 --> 00:21:06.080 Der Rest ist alles ausgewandert. Und das ist typisch, ja. Also meine Generation schon. 00:21:06.080 --> 00:21:15.880 Die Jüngeren, die machen es jetzt anders. Die gehen im Ausland arbeiten, dann gehen sie nach Hause, bauen Häuser, oder kaufen Wohnung von dem Geld. 00:21:15.880 --> 00:21:22.120 Aber es ist noch immer sehr schwer in Rumänien. Aber es ist wesentlich besser. 00:21:22.120 --> 00:21:27.500 00:21:27.500 --> 00:21:33.600 Du hast ja auch erzählt, dass du eigentlich einen Pass beantragen wolltest ... 00:21:33.600 --> 00:21:35.520 a, habe ich auch beantragt. 00:21:35.520 --> 00:21:44.520 Ist es überhaupt möglich gewesen auch einen Pass zu bekommen? 00:21:44.520 --> 00:21:54.440 Ja, ja. Ja natürlich. Wir waren in den 70er Jahren viel in Ungarn, Tschechoslowakei, Polen, DDR, oder Bulgarien. 00:21:54.440 --> 00:22:00.320 Wir durften das machen in den Ostblockstaaten. 00:22:00.320 --> 00:22:05.080 Aber in den 80ern war das auch fast nicht mehr möglich. 00:22:05.080 --> 00:22:14.520 Es haben sehr wenige Leute einen Reisepass bekommen. Es gab schon, aber echt wenige in den 80ern. 00:22:14.520 --> 00:22:22.720 Und es war ganz normal, dass man das beantragen muss, warten muss. 00:22:22.720 --> 00:22:33.080 Dann wird man eingeladen, es wird gesagt: ok, jetzt bekommen Sie einen Pass nach Ungarn, oder nach damalige Tschechoslowakei. 00:22:33.080 --> 00:22:39.160 Zum Beispiel Jugoslawien war tabu. Das war viel zu westlich damals. 00:22:39.160 --> 00:22:46.000 Und deswegen haben wir natürlich immer versucht das zu beantragen und bekommen. 00:22:46.000 --> 00:23:02.200 Also ich wollte eigentlich versuchen offiziell auszureisen. Aber dann ist es nicht mehr gegangen. Deswegen diese Flucht. 00:23:02.200 --> 00:23:09.000 Und so was du erzählt hast mit dem Beamten … 00:23:09.000 --> 00:23:09.840 Ja 00:23:09.840 --> 00:23:11.600 … also ist das… 00:23:11.600 --> 00:23:20.200 Das war der Punkt, ja, wo ich mich entschieden habe: ok, jetzt schwarz. Ausreisen. Schwarz. 00:23:20.200 --> 00:23:29.320 Über die grüne Grenze, weil es geht nicht anders. Sonst wäre das natürlich schlecht für mich gewesen. 00:23:29.320 --> 00:23:37.000 Weil ich hätte das natürlich nicht gemacht und dann hätte ich wahrscheinlich Probleme bekommen. 00:23:37.000 --> 00:23:49.040 Also das war dann der Punkt. Der letzte Punkt. Ja, ich glaube das war keine Ausnahme, sondern ganz normal. 00:23:49.040 --> 00:23:57.480 Ich wusste das nicht, aber dann habe ich es erfahren. Dass es so geht. Bitte. Wahrscheinlich ging es so. 00:23:57.480 --> 00:24:07.400 Bei diesem Beamten oder bei allen, das weiß ich nicht. Aber wahrscheinlich viele haben das versucht mindestens, ja. 00:24:07.400 --> 00:24:13.960 Irgendein Geschäft zu machen. Mit Geld oder mit Sex oder mit […] keine Ahnung. 00:24:13.960 --> 00:24:23.760 Es war natürlich ganz normal damals. Ist keine Ausnahme, glaube ich. 00:24:23.760 --> 00:24:28.000 00:24:28.000 --> 00:24:33.840 Die Freunde mit denen du dann gemeinsam auch geflüchtet bist, ... 00:24:33.840 --> 00:24:38.560 ... hatten die auch vorher versucht einen Pass zu beantragen? 00:24:38.560 --> 00:24:42.800 Ja, schon natürlich. Das haben immer die Leute versucht. 00:24:42.800 --> 00:24:48.200 Die wollten einfach versuchen auszureisen, irgendwie weiterzukommen. 00:24:48.200 --> 00:24:57.520 Die haben wahrscheinlich dieses Angebot nicht bekommen was ich bekommen habe. Aber sie haben gedacht: na wahrscheinlich bekommen sie das dann auch. 00:24:57.520 --> 00:25:04.520 Als Antwort auf diesen Antrag. Und dann haben sie gesagt: „Ok, dann lieber gehen wir auch mit." 00:25:04.520 --> 00:25:10.720 „Weil wir wollen das auch nicht." Ja, so war das. 00:25:10.720 --> 00:25:22.520 War dir dann eigentlich in dem Moment, wo du dich dazu entschlossen hast zu flüchten, auch die Gefahr bewusst? 00:25:22.520 --> 00:25:27.600 Ja. Deswegen habe ich versucht einen Reisepass zu beantragen. 00:25:27.600 --> 00:25:35.040 Na klar. Weil damals haben die geschossen. [...] Ja, ja, ich weiß. 00:25:35.040 --> 00:25:46.880 Aber: da hatte ich damals keine andere Wahl. Ich habe es so entschieden. Tschüss. 00:25:46.880 --> 00:25:54.120 Natürlich war es gefährlich. Aber eigentlich haben das ganz viele geschafft. 00:25:54.120 --> 00:26:07.160 Einige wurden auch gefasst, geschlagen, ins Gefängnis, oder […] weiß ich nicht […] gesteckt. Weiß ich nicht. Aber wir haben das geschafft.. 00:26:07.160 --> 00:26:11.000 00:26:11.000 --> 00:26:18.000 Und kanntest du dann teilweise auch schon Geschichten von Personen, die es geschafft hatten? 00:26:18.000 --> 00:26:22.640 Oder möglicherweise auch nicht geschafft hatten? Also waren das Informationen ... 00:26:22.640 --> 00:26:25.880 Ja, wir hatten nformationen. Natürlich, ja. 00:26:25.880 --> 00:26:35.480 Informationen kann man eigentlich mit der Diktatur nicht stoppen. Weil die gehen und kommen. 00:26:35.480 --> 00:26:42.840 So wie Musik. Also weiß ich nicht. Sowas. Das kann man nicht stoppen. Weil das bewegt sich immer. 00:26:42.840 --> 00:26:50.840 Natürlich hatten wir. Deswegen [...] vor uns hat [es] eine Familie geschafft. 00:26:50.840 --> 00:26:55.320 Auf diesem Weg, wo wir [es] dann auch geschafft haben. Und wir wussten das, ja. 00:26:55.320 --> 00:27:09.880 Sie haben uns dann Informationen gegeben. Dass dieser Weg, sagen wir, ok ist. Da kann man es versuchen. 00:27:09.880 --> 00:27:18.480 Sie haben [es] mit einem dreijährigen Kind geschafft. Also das war sehr gut, ja. 00:27:18.480 --> 00:27:27.600 Dann haben wir sie auch in Ungarn getroffen. Die sind jetzt in Kanada. Ja. 00:27:27.600 --> 00:27:37.100 Und in Ungarn dann - weil du gesagt hast Ungarn war noch nicht wirklich vorbereitet… 00:27:37.100 --> 00:27:37.960 Überhaupt nicht. 00:27:37.960 --> 00:27:47.360 … auf Geflüchtete. Mit Flüchtlingslagern oder so. Kannst du da vielleicht noch ein bisschen mehr erzählen, wie das in Ungarn dann noch war? 00:27:47.360 --> 00:28:12.440 Sehr chaotisch. Die haben eigentlich damals, ’88, angefangen Flüchtlingen zu bekommen. Zu empfangen. 00:28:12.440 --> 00:28:20.560 Und deswegen waren natürlich [...] da war auch dieser Gulasch-Kommunismus in Ungarn. 00:28:20.560 --> 00:28:37.440 Aber sie haben schon viel versucht, ja. Ich kann nichts gegen das damalige Ungarn sagen. Weil die haben uns versucht, irgendwie, aufzunehmen. 00:28:37.440 --> 00:28:42.040 Und das wichtigste ist, dass sie uns nicht zurückgeben [Anm.: zurückgebracht] haben. 00:28:42.040 --> 00:28:47.280 Die haben noch keine echten Flüchtlingslager gehabt. 00:28:47.280 --> 00:28:58.120 Nur was ich gesagt habe, so Schulen, die frei waren, oder, weiß ich nicht, so Gebäude, die leer waren. 00:28:58.120 --> 00:29:07.100 Dann haben sie versucht, dort Flüchtlinge unterzubringen. 00:29:07.100 --> 00:29:17.640 Da waren Betten. Eine Küche. Und sehr viele Freiwillige. Da muss ich dazu sagen. 00:29:17.640 --> 00:29:28.880 Damals. Viele haben geholfen.Viele. Einfach Freiwillige sind gekommen; gekocht, Sachen mitgebracht. Also das hat damals funktioniert. 00:29:28.880 --> 00:29:34.480 Ohne die Freiwilligen wäre es natürlich auch unmöglich gewesen. 00:29:34.480 --> 00:29:42.240 Und die Kirche war auch noch dabei. Also Caritas. Und damals natürlich ganz, ganz am Anfang. 00:29:42.240 --> 00:29:50.440 In den Kinderschuhen alles. Aber es trotzdem ein bisschen, irgendwie, gegangen. 00:29:50.440 --> 00:30:03.320 Natürlich war es schwer, Fuß zu fassen. Weil wir wurden dann frei gelassen, sozusagen, und dann konnten wir machen was wir wollten. 00:30:03.320 --> 00:30:11.440 Das heißt, du musst Arbeit suchen, Unterkunft suchen, alles mögliche, ohne jede Hilfe. 00:30:11.440 --> 00:30:18.360 Und das war natürlich sehr schwer. Man fühlte sich ganz unsicher. Ohne alles! 00:30:18.360 --> 00:30:28.840 Wie fängst du an, wenn du nichts hast? Überhaupt nichts. Ein Papier, und das ist alles. Ja, ok. So war es. 00:30:28.840 --> 00:30:37.960 Das heißt, du hast dann auch einen Bescheid ausgestellt bekommen, dass du nach Ungarn geflüchtet bist. 00:30:37.960 --> 00:30:38.440 Ja 00:30:38.440 --> 00:30:43.320 Und damit war dann auch der Anspruch auf Hilfe […] 00:30:43.320 --> 00:30:56.960 Na da war noch nichts! Also die waren noch damit nicht [...] Ja, habe ich ein Zugticket nach Budapest natürlich bezahlt bekommen von denen. 00:30:56.960 --> 00:31:07.600 Und dann bin ich zur Kirche gegangen, zur Caritas. Wo ich ein paar Sachen bekommen habe. Also Schuhe, weiß ich nicht, solche Sachen. 00:31:07.600 --> 00:31:17.120 Aber ja, man musste schon alles allein machen. 00:31:17.120 --> 00:31:26.700 Das war auch kein Problem. Das war auch in Österreich so, aber natürlich etwas besser. 00:31:26.700 --> 00:31:35.520 Weil Österreich seit mehr als sechzig Jahren Flüchtlinge bekommt. 00:31:35.520 --> 00:31:40.100 Wie lange warst du dann dort? 00:31:40.100 --> 00:31:45.600 Na fast ein Jahr. Ja, ich habe gearbeitet dann. Auch in Ungarn. 00:31:45.600 --> 00:31:50.960 Und dann habe ich mindestens neun Wohnungen gehabt. 00:31:50.960 --> 00:31:55.960 Also keine Wohnungen, sondern so Untermieten, oder bei Freunden. 00:31:55.960 --> 00:32:05.960 Das war am schwierigsten. Irgendwo wohnen, Ja, dann habe ich auch im Ostbahnhof geschlafen, ein paar Nächte. 00:32:05.960 --> 00:32:17.080 Ja das war nicht so einfach in Ungarn. Obwohl, es war dann eine große Euphorie. Das war schön. 00:32:17.080 --> 00:32:26.120 Wir haben auf der Straße geschlafen, aber dann sind die Ostdeutschen gekommen und diese Ausreisewelle. Und das war echt schön, ja 00:32:26.120 --> 00:32:31.480 Wo da ich damit gekommen bin. Mit dieser DDR Welle. 00:32:31.480 --> 00:32:37.440 Also damals war in Ungarn eine schöne Euphorie, kann ich sagen. 00:32:37.440 --> 00:32:49.680 .Alle waren irgendwie froh, dass es so passiert ist. Dass Ungarn die DDR Leute auch nicht zurückgegeben hat. Sondern einfach weitergeleitet. 00:32:49.680 --> 00:32:54.080 Und die konnten dann über Österreich nach Deutschland ausreisen. 00:32:54.080 --> 00:33:01.040 Und dann [...] ich glaube wir sind viele, die mit dieser Welle weitergegangen sind. 00:33:01.040 --> 00:33:11.920 Weil wir da irgendwie in Ungarn, weiss ich nicht, nicht so willkommen waren, glaube ich. 00:33:11.920 --> 00:33:16.160 Wie hat man das gemerkt? 00:33:16.160 --> 00:33:27.960 Das ist schwer, ja. Wenn man Ungarisch als Muttersprache hat und trotzdem als Fremder tituliert wird. 00:33:27.960 --> 00:33:38.040 Das ist oft passiert. Da ist wahrscheinlich so, wie ein Österreicher der nach Deutschland ausreist und als Fremder behandelt wird. 00:33:38.040 --> 00:33:48.800 Es ist so, ja. Das passiert wahrscheinlich auch woanders. Das war nicht so gut. Man hat andere Sachen erwartet. 00:33:48.800 --> 00:33:55.840 Und diese Freiheit in Ungarn war auch keine Freiheit. Noch keine. 00:33:55.840 --> 00:34:10.400 Es war alles unsicher. Chaotisch, unsicher, aber auch euphorisch. Also es war echt unglaublich, damals. Weiß ich nicht, ’88 oder ’89. 00:34:10.400 --> 00:34:19.400 Stand alles auf dem Kopf; wussten wir nicht: jetzt ist Kommunismus, nicht? Diktatur, oder nicht? Oder was ist jetzt? 00:34:19.400 --> 00:34:25.840 Das war echt unglaublich. Das war’s. 00:34:25.840 --> 00:34:40.880 Und gab es da bei dir irgendwie auch so einen konkreten Punkt, wo du gesagt hast: „Jetzt will ich aus Ungarn weg“, oder „jetzt geh ich weiter“? 00:34:40.880 --> 00:34:48.400 Oder war das dann auch, wie vielleicht vorher schon, dass das auch lange schon in deinem Kopf war? 00:34:48.400 --> 00:34:53.360 Es war immer in meinem Kopf. Es war immer. 00:34:53.360 --> 00:35:08.120 Ja, wie ich sagte […] Ich habe gesagt: was ich gemacht habe, was ich riskiert habe, das habe ich nicht deswegen gemacht, ... 00:35:08.120 --> 00:35:15.200 ... dass ich in Ungarn irgendwie hin und her geschleudert werde und keine Zukunft habe. 00:35:15.200 --> 00:35:21.760 Ich habe irgendwie gefühlt, dass irgendwas in Ungarn nicht stimmt. Das war einfach ein Bauchgefühl. 00:35:21.760 --> 00:35:30.520 Heute sieht man das warum, aber ich habe einfach gefühlt: ok, das ist nichts für mich. 00:35:30.520 --> 00:35:38.000 Weil die […] weiß nicht, das war so komisch. Wie heute auch. 00:35:38.000 --> 00:35:43.520 Ja, es gibt auch gute Menschen natürlich. Aber politisch ist das eine Katastrophe. 00:35:43.520 --> 00:35:55.080 Das erste Mal habe ich zum Beispiel Antisemitismus in Ungarn getroffen. Das hat mich sehr überrascht. 00:35:55.080 --> 00:36:11.640 Oder Roma. Oder […] egal. Fremde sind in Ungarn nicht geliebt, was soll ich tun? Und ich war auch eine Fremde. Für die. 00:36:11.640 --> 00:36:18.820 Das ist sehr interessant, aber das ist so. Also ich glaube das war das Problem. 00:36:18.820 --> 00:36:23.000 00:36:23.000 --> 00:36:29.160 Und als du dann auch Österreich gekommen bist, wie war das da? Der Anfang? 00:36:29.160 --> 00:36:38.840 Ja, der Anfang […] schwierig, natürlich. Aber ich war viel optimistischer in Österreich. 00:36:38.840 --> 00:36:46.600 Ich wusste, dass ich schon wieder anfangen muss, von vorne anfangen muss. 00:36:46.600 --> 00:36:52.920 Aber ok, kein Problem. 00:36:52.920 --> 00:37:08.000 In Österreich war irgendwie […] alles viel mehr [...] mit den Flüchtlingen ist Österreich einfach gewöhnt. 00:37:08.000 --> 00:37:14.960 Man hat gesehen, dass das alles irgendwie flott geht. Die wissen was, wie, warum. 00:37:14.960 --> 00:37:20.360 Schnell. Ziemlich schnell, also zwei Wochen in Traiskirchen. 00:37:20.360 --> 00:37:27.360 Die haben natürlich auch Interviews aufgenommen: warum, wie […] und so weiter und so fort. 00:37:27.360 --> 00:37:34.680 Dann bist du in zwei Wochen schnell in Bundesbetreuung gekommen. 00:37:34.680 --> 00:37:43.320 Das war profi [Anm.: professionell]. Man hat das einfach gespürt, dass sie das echt profi machen. 00:37:43.320 --> 00:37:52.560 Natürlich es war nicht einfach. Man musste die Sprache lernen. Damals habe ich zum Beispiel keinen Deutschkurs bekommen. 00:37:52.560 --> 00:38:02.700 Musste das selber bezahlen. Also als ich nach Wien gekommen bin und im Restaurant gearbeitet habe, ... 00:38:02.700 --> 00:38:10.680 ... da habe ich vormittags Deutschkurs gehabt [...] mittags Deutschkurs gehabt. 00:38:10.680 --> 00:38:15.080 Ab fünf Uhr bis drei Uhr in der Nacht gearbeitet. 00:38:15.080 --> 00:38:32.840 Und dann […] das war’s. Monate lang. Aber ja, so ist das. Also […] ja. Ich kann nichts sagen. 00:38:32.840 --> 00:38:37.520 Nur dass [...] also das einzige Problem war, dass ich keinen Deutschkurs bekommen habe. 00:38:37.520 --> 00:38:43.400 Alles andere ist gegangen. Ja, die Österreicher sind so […] die fragen immer: „Woher kommen Sie?“ 00:38:43.400 --> 00:38:50.640 Ok. Das ist normal, das habe ich auch schon [...] bis heute. 00:38:50.640 --> 00:38:56.120 Dann habe ich gesagt [...] einmal habe ich gesagt: „Ich komme nicht, ich gehe“. 00:38:56.120 --> 00:39:05.480 Aber […] ich hatte ein Ziel hier. Und das war gut. Das […] 00:39:05.480 --> 00:39:14.280 In Ungarn hatte ich kein Ziel. Ich wusste nicht. Hier hatte ich ein Ziel und das ist auch irgendwie dann gegangen. 00:39:14.280 --> 00:39:17.760 Natürlich schwierig. Am Anfang ist [...] für alle ist es schwierig. 00:39:17.760 --> 00:39:28.240 Aber ich fühle mich hier nicht mehr so fremd, wie damals in Ungarn. Obwohl hier [...] hier bin ich echt fremd. 00:39:28.240 --> 00:39:35.720 Ich habe eh wenig mit Österreich zu tun, außer die Monarchie damals. Aber trotzdem. 00:39:35.720 --> 00:39:50.320 Und ich habe hier Familie und Freunde gefunden. Also jetzt bin ich schon, ja, „integriert"; sagen wir. 00:39:50.320 --> 00:39:59.550 Und, vielleicht darf ich da nochmal nachfragen, du hast gesagt du bist dann per Anhalter nach Österreich gekommen. 00:39:59.550 --> 00:40:00.280 Ja! 00:40:00.280 --> 00:40:06.480 Wie ist das gegangen und was ist dann [...] also als du dann da warst, was ist dann passiert? 00:40:06.480 --> 00:40:15.040 Das war ganz einfach. Ja, per Anhalter. Ich habe einen jungen Deutschen, Westdeutschen, angehalten, ... 00:40:15.040 --> 00:40:18.480 ... der mich einfach bis Wien mitgenommen hat. 00:40:18.480 --> 00:40:25.160 Er hat eine ostdeutsche Freundin in Budapest besucht, ... 00:40:25.160 --> 00:40:33.800 ... die damals in Budapest war und dann darauf gewartet hat, dass sie ausreisen kann und nach Westdeutschland kommen kann. 00:40:33.800 --> 00:40:41.440 Konnte sie später dann auch. Und er hat mich einfach bis Wien mitgenommen. 00:40:41.440 --> 00:40:55.080 Und ich habe ihm gedankt: „Danke, dass du mir geholfen hast wieder zu flüchten“. 00:40:55.080 --> 00:41:01.880 Es war […] es war ganz einfach; weil wie ich sagte: es war gar keine Grenzkontrolle da. 00:41:01.880 --> 00:41:10.600 Wegen dieser DDR Welle hat kein Mensch irgendwas kontrolliert. Also einfach so nach Wien. 00:41:10.600 --> 00:41:18.880 Das war echt einfach. Ich habe nie gedacht, dass es so einfach wäre. Aber es war so. 00:41:18.880 --> 00:41:26.960 Damals sind sehr viele Deutsche, sehr viele Westdeutsche, nach Ungarn gereist, ... 00:41:26.960 --> 00:41:31.320 ... [um] die Ostdeutschen Verwandten oder Bekannten zu besuchen, ... 00:41:31.320 --> 00:41:38.280 ... die darauf gewartet haben ausreisen zu können nach Österreich, oder nach Westdeutschland. 00:41:38.280 --> 00:41:43.240 Also das war ganz normal. So ist es passiert. 00:41:43.240 --> 00:41:46.200 Und dann warte du in Wien und… 00:41:46.200 --> 00:41:53.160 Da bin ich zu meiner Freundin gegangen. Und am nächsten Tag dann nach Traiskirchen. 00:41:53.160 --> 00:41:58.000 Ich habe Glück gehabt, weil ich so viele Freunde hatte überall. 00:41:58.000 --> 00:42:03.600 Und die haben [...] also viele Menschen haben mir sehr, sehr viel geholfen. Da muss ich sagen. 00:42:03.600 --> 00:42:13.130 Nicht nur Freunde; einfach nur Menschen. Gut, dass ich gute Freunde hatte überall. 00:42:13.130 --> 00:42:19.040 Aber auch Unbekannte haben mir viel geholfen damals. 00:42:19.040 --> 00:42:25.800 Es gibt in Österreich so eine unglaubliche Hilfsbereitschaft. 00:42:25.800 --> 00:42:35.160 Man glaubt das einfach nicht, aber ich weiß, weil ich das gesehen habe. Nicht einmal und nicht zweimal, ich habe das vor zwei Jahren auch gesehen. 00:42:35.160 --> 00:42:40.680 Mit der Flüchtlingswelle. Das war unglaublich. Ich war auch dort, ich habe es gesehen. 00:42:40.680 --> 00:42:51.520 Dass so viele Menschen geholfen haben. Das war unglaublich. Junge, Alte. Egal. Es war absolut egal. 00:42:51.520 --> 00:43:00.920 Es war absolut egal. Ich habe auch mitgeholfen; war ich am Hauptbahnhof. Es waren jeden Tag hunderte Menschen die gekommen sind, einfach zum Helfen. 00:43:00.920 --> 00:43:10.480 Das war immer so. Manche glauben, das Österreich irgendwie, weiß ich nicht, so […] 00:43:10.480 --> 00:43:25.080 Es gibt so, ok, Parteien, die natürlich nicht sehr beliebt sind. Oder doch sehr beliebt sind! 00:43:25.080 --> 00:43:29.000 Aber die Österreicher, die normalen, einfachen Österreicher, sind nicht so. 00:43:29.000 --> 00:43:35.040 Die sind sehr, sehr hilfsbereit. Die spenden Millionen jedes Jahr. Das weiß ich auch. 00:43:35.040 --> 00:43:42.080 Wo ich gearbeitet habe, in diesen NGOs, habe ich das auch gesehen. 00:43:42.080 --> 00:43:51.920 Die leben fast von Spenden. Das gibt’s! Das gibt es immer. Ja, so ist es. 00:43:51.920 --> 00:44:02.000 Und du bist dann von selbst damals nach Traiskirchen… 00:44:02.000 --> 00:44:02.800 Ja! 00:44:02.800 --> 00:44:04.300 Wo du auch schon wusstest… 00:44:04.300 --> 00:44:17.360 Ja, meine Freundin hat gesagt: du musst jetzt mit der Badener Bahn einfach rausfahren und dort dich registrieren lassen. 00:44:17.360 --> 00:44:26.040 Und dort hat dann alles angefangen. Damals haben wir das Flüchtlingsbahn genannt. 00:44:26.040 --> 00:44:36.560 Ja. Ja, ja, ja. ich habe Glück gehabt, dass ich Freunde hatte hier; nicht viele, aber trotzdem ein paar, die schon früher gekommen sind. 00:44:36.560 --> 00:44:43.120 Und dann sie haben immer erzählt: „Jetzt musst du das machen, das machen, das machen." 00:44:43.120 --> 00:44:48.560 Aber man musste schon in Traiskirchen sich registrieren lassen. 00:44:48.560 --> 00:44:57.480 Weil sonst hast du keine Status, bekommst du keine Aufenthaltserlaubnis, Arbeitserlaubnis. Also solche Sachen. 00:44:57.480 --> 00:45:02.440 Ohne die Sachen bist du ganz schwarz untergetaucht. Das geht nicht. 00:45:02.440 --> 00:45:13.760 Also ja, so hat hier das Leben angefangen. Wie viele Hunderttausende andere; damals und jetzt auch. 00:45:13.760 --> 00:45:23.640 Und wie lange hat das dann circa gedauert bis du die Aufenthaltsgenehmigung bekommen hast und [die] Arbeitserlaubnis? 00:45:23.640 --> 00:45:29.200 Na schauen wir mal: also […] circa sechs Monate. 00:45:29.200 --> 00:45:36.080 Weil ich habe ziemlich schnell Arbeit gefunden. 00:45:36.080 --> 00:45:45.720 Und wenn man eine Arbeit findet, offiziell, […] und dann bekommt man eine Arbeitserlaubnis und damit natürlich auch eine Aufenthaltsbewilligung. 00:45:45.720 --> 00:45:50.640 Also […] ja, damals war es, glaube ich, einfacher als jetzt. 00:45:50.640 --> 00:45:55.360 Es gab wahrscheinlich mehr Arbeit oder […] keine Ahnung. 00:45:55.360 --> 00:46:01.600 Und diese ganze Zeit warst du dann aber auch in Traiskirchen? 00:46:01.600 --> 00:46:06.200 Nein, nein, nein. In Bundesbetreuung in einer Pension. 00:46:06.200 --> 00:46:10.300 Mit anderen Flüchtlinge untergebracht. Ja, das war so. 00:46:10.300 --> 00:46:11.100 Wo war das? 00:46:11.100 --> 00:46:18.480 Im Burgenland. Ende der Welt. In einem Dorf, wo nichts war. 00:46:18.480 --> 00:46:22.680 Das Dorf und der Wald. Und Ciao! 00:46:22.680 --> 00:46:25.680 Und wie war es dort? 00:46:25.680 --> 00:46:33.240 Ja, […] ich habe schnell angefangen in der Küche zu arbeiten. 00:46:33.240 --> 00:46:38.800 Damit ich mich nicht langweile. Meine erste Arbeit war das. 00:46:38.800 --> 00:46:54.800 Ich habe in der Küche nachgeholfen. Und natürlich dann habe ich angefangen, in die Stadt zu gehen und Arbeit zu suchen. 00:46:54.800 --> 00:47:03.720 Weil das schlimmste ist, wenn du in Bundesbetreuung bist und nichts machen darfst. Das ist das schlimmste. 00:47:03.720 --> 00:47:12.320 Heute auch, damals auch. Wahrscheinlich damals war [es] einfacher und schneller Arbeit zu finden. 00:47:12.320 --> 00:47:21.960 Es war nicht so streng. Und jetzt ist das wahrscheinlich viel schlimmer. 00:47:21.960 --> 00:47:35.160 Man muss Humor haben. Zum Leben. Ja. Das war nicht einfach, aber trotzdem […] 00:47:35.160 --> 00:47:39.000 00:47:39.000 --> 00:47:43.600 Und als du dann wieder nach Wien gegangen bist, wo hast du dann gewohnt? 00:47:43.600 --> 00:47:51.120 Habe ich eine kleine Wohnung gesucht. Damals war es auch einfacher. 00:47:51.120 --> 00:47:54.920 Und natürlich Freunde haben mir auch geholfen. 00:47:54.920 --> 00:48:05.400 Da habe ich eine kleine Wohnung, dreißig Quadratmeter, Toilette draußen. Das ist typisch. Aber billig! 00:48:05.400 --> 00:48:16.080 Ja, das habe ich [...] eigentlich ziemlich schnell, ja. Ich glaube in zwei, drei Monaten habe ich Wohnung und Arbeit in Wien gehabt. 00:48:16.080 --> 00:48:32.440 Und seitdem arbeite ich ununterbrochen. Weil ich wollte mich da im Burgenland // mich nicht begraben. Ehrlich gesagt. 00:48:32.440 --> 00:48:37.720 Alle Freunde, alle Bekannten waren in Wien. Alle Möglichkeiten. 00:48:37.720 --> 00:48:43.160 Also ich wollte nicht ein Leben lang im Burgenland in einer Fabrik arbeiten. 00:48:43.160 --> 00:48:49.500 00:48:49.500 --> 00:48:55.200 Und du hast dann später ja auch bei der Asylkoordination gearbeitet. 00:48:55.200 --> 00:48:56.800 Ein Jahr habe ich, ja. 00:48:56.800 --> 00:49:02.250 Was waren a so deine Aufgabenbereiche? Wie bist du dazu gekommen? 00:49:02.250 --> 00:49:09.600 Über [das] Integrationshaus. Ich war in einem Kurs im Integrationshaus, da habe ich einen Deutschkurs besucht. 00:49:09.600 --> 00:49:21.560 Sozusagen „Integrationskurs“. Und von dort [wurde] ich einfach weitergeleitet zur Asylkoordination. 00:49:21.560 --> 00:49:30.680 Weil sie brauchen jemand für ein Jahr. Und dann habe ich da verschiedene Sachen gemacht. 00:49:30.680 --> 00:49:36.960 Sehr viel übersetzt. Weil wir damals sehr viele Kontakte mit Ungarn hatten. 00:49:36.960 --> 00:49:44.160 Auch mit Rumänien. Also ich habe sehr viel übersetzt und ich habe sie begleitet immer auf diese Reisen. 00:49:44.160 --> 00:49:55.720 Und mit Flüchtlingen gesprochen. Und ja, alles mögliche gemacht. Ja. Was [es] eben gab. 00:49:55.720 --> 00:50:04.850 Das heißt, war das dann auch so eine Art Information für Flüchtlinge? 00:50:04.850 --> 00:50:05.200 Auch. 00:50:05.200 --> 00:50:06.840 Dort vor Ort? 00:50:06.840 --> 00:50:15.400 Auch. Auch. Wir haben einfach in Ungarn geschaut, wie die Lager aussehen. 00:50:15.400 --> 00:50:33.400 Weil die waren nicht so wie in Österreich, einfach. Zum Beispiel in Györ gab es ein Aufnahmezentrum, wo die Leute eigentlich eingesperrt waren. 00:50:33.400 --> 00:50:44.700 Das haben wir auch besucht und dann mit den ungarischen Behörden so Briefe getauscht. 00:50:44.700 --> 00:50:47.240 Und ist dann auch besser geworden. 00:50:47.240 --> 00:50:52.680 Ja. Da waren sehr viele Afrikaner damals dort. 00:50:52.680 --> 00:50:56.500 00:50:56.500 --> 00:51:00.700 Wie war das für dich dann dort auch nochmal zurück zu gehen? 00:51:00.700 --> 00:51:07.600 Ich gehe jetzt auch zurück! Kein Problem. Das war kein Problem mehr. 00:51:07.600 --> 00:51:19.760 Ich [...] nach Rumänien […] ach am Anfang [...] ich bin viele Jahre nicht nach Rumänien gereist. 00:51:19.760 --> 00:51:31.040 Aber auch heute noch, wenn ich nach Rumänien reise an die Grenze, habe ich ein bisschen so […] bin ich nervös. 00:51:31.040 --> 00:51:38.480 Obwohl jetzt ist eh kein Problem mehr. Weil sie sind auch in der EU und […] ja. Aber trotzdem. 00:51:38.480 --> 00:51:46.600 Ja, jetzt fahre ich überall ohne weiteres hin. Kein Problem. Nach Ungarn auch. 00:51:46.600 --> 00:51:54.240 Da haben wir auch Freunde in Ungarn, also… mir ist sehr wichtig [...] immer die sozialen Kontakte sind sehr wichtig. 00:51:54.240 --> 00:52:12.440 Und da sie jetzt alle in der EU sind und es irgendwie an der Grenze keine Probleme gibt - jetzt wieder, aber lange Jahre ab es keine mehr - das hat mich so gefreut. 00:52:12.440 --> 00:52:22.880 Weil die Leute vergessen das dann. Ich weiß nicht, warum das so schnell vergessen wird, ... 00:52:22.880 --> 00:52:28.400 ... dass jahrzehntelang diese Grenzen geschlossen waren. 00:52:28.400 --> 00:52:35.920 Und wenn man nach Ungarn reisen musste, musste man stundenlang warten an der Grenze. 00:52:35.920 --> 00:52:44.320 Die haben das schon vergessen in fünfundzwanzig Jahren! Das ist unglaublich. […] Traurig. 00:52:44.320 --> 00:52:52.000 Hast du eigentlich noch Familie in Rumänien? 00:52:52.000 --> 00:52:56.640 Ja, meine Mutter. Sie lebt noch. Sie ist vierundachtzig. 00:52:56.640 --> 00:53:06.000 Also ich fahre zweimal im Jahr noch [zu] ihr; aber niemand anderes. Alle anderen sind weg. 00:53:06.000 --> 00:53:13.320 Auch [die] Verwandten sind nicht mehr da. Wenige Verwandte, sehr wenige. 00:53:13.320 --> 00:53:24.720 Und dann meine Mutter. Sie war sehr oft bei mir. Jetzt reist sie nicht mehr, weil mit vierundachtzig ist das nicht mehr [...] will sie nicht mehr. 00:53:24.720 --> 00:53:31.920 Jetzt fahr ich zweimal im Jahr zu ihr. Und, ja. Sie ist die einzige eigentlich. 00:53:31.920 --> 00:53:47.360 Alle [...] meine Freunde sind alle woanders. Meistens hier, Ungarn, Deutschland. Kanada. Weiss ich nicht. Überall. 00:53:47.360 --> 00:53:54.200 Und deine Mutter lebt auch immer noch dort, wo du auch aufgewachsen bist? 00:53:54.200 --> 00:53:55.000 Ja. 00:53:55.000 --> 00:53:57.200 Wo ist das? 00:53:57.200 --> 00:54:03.240 Mitte Siebenbürgen. In […] Neumarkt am Mieresch, heißt das auf Deutsch. 00:54:03.240 --> 00:54:14.080 Ja, sie lebt noch immer dort. Sie wollte eigentlich nicht mehr zu mir kommen. 00:54:14.080 --> 00:54:20.400 Sie war schon zu alt und sie wollte nicht. Sie ist dort geblieben. 00:54:20.400 --> 00:54:34.560 Naja, für alte Menschen ist das natürlich schwieriger. Irgendwo Fuß zu fassen und alles von vorne beginnen. Das ist nicht so gut. 00:54:34.560 --> 00:54:37.000 00:54:37.000 --> 00:54:44.480 War das dann auch schwer, so die ersten Jahre in Ungarn oder Österreich Kontakt mit ihr zu haben? 00:54:44.480 --> 00:54:56.440 Eigentlich ja. […] Ja. Telefonisch. Aber das war auch nicht so einfach, so wie heute. 00:54:56.440 --> 00:55:00.920 Wo man mit dem Handy einfach anrufen kann. 00:55:00.920 --> 00:55:23.600 Damals, als die Revolution in Rumänien war, da sind wir stundenlang vor so einer Telefonzelle gestanden und [haben] einfach versucht anzurufen. 00:55:23.600 --> 00:55:33.880 Und wir haben das fast nie geschafft. Weil damals waren die Verbindungen und die Leitungen nicht ausgebaut. 00:55:33.880 --> 00:55:40.480 Nichts hat funktioniert in Rumänien. Und […] habe ich sehr schwer nur meine Mutter erreicht. 00:55:40.480 --> 00:55:54.000 Aber […] ja. So ist das. Brief geschrieben. Was es heutzutage auch nicht mehr gibt. 00:55:54.000 --> 00:55:59.300 00:55:59.300 --> 00:56:04.200 Was ich noch interessant finden würde, weil du das auch angesprochen hast, ... 00:56:04.200 --> 00:56:10.500 ... dass du es gewohnt warst, mit verschiedenen Nationalitäten aufzuwachsen … 00:56:10.500 --> 00:56:12.000 Ja 00:56:12.000 --> 00:56:13.480 … in Rumänien… 00:56:13.480 --> 00:56:14.480 Na klar. 00:56:14.480 --> 00:56:19.200 Das heißt: ungarische Minderheit. Dann in Ungarn zu sein und dann in Österreich. 00:56:19.200 --> 00:56:29.640 So ob du das für dich selbst eigentlich auch definieren kannst […], also wo du dich zugehörig fühlst, oder als… 00:56:29.640 --> 00:56:36.800 Ist mir egal! Europa. Nein, es ist mir egal. Nein, eigentlich nicht. 00:56:36.800 --> 00:56:42.720 Ja ich bin ja Ungarin, sagt man, aber ok, das ist dann alles. 00:56:42.720 --> 00:56:55.280 Damals war das in Rumänien wichtiger. Weil man unterdrückt wurde. Aber hier […] hier ist egal. 00:56:55.280 --> 00:57:03.160 Wozu gehöre [...] das ist [...] nein, ich finde das ist nicht so gut. 00:57:03.160 --> 00:57:15.730 Überall in Europa. Mitteleuropa, sagen wir. Eben deswegen, weil ich dort aufgewachsen bin. 00:57:15.730 --> 00:57:27.800 Wo ich zusammen mit Rumänen, Deutschen, Roma, Juden, weiss ich nicht was, alles zusammengelebt habe. 00:57:27.800 --> 00:57:36.960 Deswegen ist es für mich [...] ja, Armenier, weiss ich nicht, alles mögliche. Eine Großmutter von mir war zum Beispiel Armenierin. 00:57:36.960 --> 00:57:46.300 Also was bin ich? Keine Ahnung. Das kann ich nicht definieren. 00:57:46.300 --> 00:57:55.760 Und das gerade in Siebenbürgen war sehr, sehr typisch. Immer schon. Was bin ich? Ja, Europäerin. 00:57:55.760 --> 00:57:59.920 Ich kann es nicht definieren. 00:57:59.920 --> 00:58:06.040 Ja Ungarin, ungarische Muttersprache, alles mögliche. Aber nicht nur. 00:58:06.040 --> 00:58:10.300 00:58:10.300 --> 00:58:16.920 Ich habe gesagt, ich bin glücklicher Mensch. Ich habe immer Glück gehabt. Kann ich sagen. 00:58:16.920 --> 00:58:28.320 Glück schon. Angefangen von der Flucht, bis heute. Ich habe Glück gehabt.